Im Hinblick auf unsere Leitfrage „Vom Migranten zum Integrierten – Selbstverantwortung oder Verantwortung der Gesellschaft?“ lässt sich als Fazit sagen, dass jeder einen Beitrag zur Integration leisten muss, damit diese gelingt.
Unsere Lösungsansätze, Forderungen und Vorschläge, konzentrieren sich auf drei Bereiche, die für die Integration essentiell sind (siehe
Kurzfilm http://www.youtube.com/watch?v=2-PmRwg5kEo&feature=youtu.be).
Zuerst steht eine
Offenheits- und Willkommenskultur im Vordergrund. So kommt jedem Bürger des Einwanderungslandes die Aufgabe zu, persönlich offen gegenüber Migranten zu sein und deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Auch ortsansässige Institutionen und Einrichtungen können zu einer besseren Teilhabe von Migranten beitragen – z.B. durch die Möglichkeit zur Mitgliedschaft in politischen Parteien, Sportvereinen oder religionsunabhängigen Jugendtreffs wird diese verbessert. Migranten müssen ebenfalls offen gegenüber dem neuen Land sein. Dazu gehört, dass sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung, das Fundament, auf dem das Funktionieren unserer Gesellschaft aufgebaut ist, akzeptieren. Eine Idee ist es, ähnlich wie in Frankreich, jeden Migranten eine allgemeine „Bürgerrechts- und -pflichts-Charta“ unterschreiben zu lassen. Neben der Ausarbeitung einer solchen Charta müssen die Staaten dafür sorgen, dass Offenheit auch durch das Bildungssystem gefördert wird. Durch Ländertage im Kindergarten und der Grundschule sowie die Aufnahme der historischen und aktuellen Hintergründe von Migration als Pflichtthema in den Bildungsplan kann erreicht werden, dass Missverständnisse und Vorurteile abgebaut und Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit vorgebeugt werden. Ein weiterer Ansatz für den Abbau von Vorurteilen durch besseres Kennenlernen anderer Kulturen ist die Förderung von Schüleraustauschprogrammen.
Auch wenn es ein breit angelegtes Konzept zur Förderung der Integration von Migranten geben muss, worunter z.B. Maßnahmen gegen Ghettoisierung durch eine aktive Wohnungspolitik fallen, stießen wir bei unserer Arbeit immer wieder darauf, dass ein zentraler Punkt für eine gelungene Integration die
Sprachförderung ist.
Wir fordern die systematische und konsequente Umsetzung von Förderprogrammen mit klar definierten einheitlichen europäischen Standards wie sie durch den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GeR) gegeben sind und mithilfe des bereits existierenden Europäischen Fonds zur Integration von Drittstaatsangehörigen finanziert werden können. Kurz: Wir fordern eine fundierte, qualitativ hochwertige Unterstützung für alle Migranten – verbindlich und unbürokratisch, mit einem abschließenden Sprachzertifikat. Der Staat soll diese Sprachförderung frühzeitig und flächendeckend ermöglichen und in den Bildungsplänen verankern. Als Beispiel dafür kann Schweden dienen, wo von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II die Möglichkeit besteht, Schwedisch als Zweitsprache statt des (aber abgestimmt mit dem) regulären muttersprachlichen Schwedischunterrichts zu besuchen.
Eine weitere Idee ist es, die Sprachförderung vor Ort stattfinden zu lassen, d.h. mit der Sprachförderung zu den Migranten zu gehen: Nicht nur Kinder in Schulen, sondern auch die restliche Familie sollte mit einbezogen werden, durch Sprach- und Kulturunterricht in Moscheen, Wohnvierteln oder Gemeindezentren.
Beim Erlernen der Sprache können auch Jugendliche konkret sich einbringen, z.B. im Rahmen der Tandem-Sprachlernmethode, die wiederum in einem offiziellen Rahmen gefördert und unterstützt werden könnte. Denn dadurch würde nicht nur sprachlicher sondern auch kultureller Austausch ermöglicht, was wiederum eine Offenheits- und Willkommensstruktur auf beiden Seiten fördern würde.
Bei alldem darf nicht vergessen werden, dass die Migranten ihre Muttersprache nicht ablegen, sondern beibehalten und ggf. schriftlich gefördert bekommen sollten. Wie Saliou Gueye in seinem Artikel über Bi-/Multikulturalität schreibt (siehe
Beitrag 14 (Wochenjournal) sowie
Beitrag 12) sind eben die Ursprungssprache und auch die Ursprungskultur von immenser Wichtigkeit für die Persönlichkeitsbildung von Migranten. Müssen sich Migranten zwischen zwei Identitäten entscheiden, kommt es häufig zum Identitätskonflikt oder zu einer Persönlichkeitskrise. Laut Tahar Ben Jelloun (Le Nouvel Observateur du 23 mai 2003) rekrutiert gerade der Fundamentalismus unter diesen Migranten seine Anhänger. Daher ist unser dritter Lösungsansatz für eine gelungene Integration die
Förderung der Bi- und Multikulturalität - nicht nur vor dem Hintergrund der Globalisierung.
Denn nur wer in seiner Ursprungskultur fest verankert ist und im Rahmen einer fest umrissenen Kultur aufwächst, also Wurzeln hat, kann offen sein für eine neue, andere, unsere Kultur und sich in eine neue Gesellschaft integrieren. Wie bei einem Baum sind diese Wurzeln also für das Gedeihen der Integration notwendig.
Sowohl wir als Bürger eines Einwanderungslandes als auch unsere Gesellschaft und unser Staat haben daher die Aufgabe, die „Pflänzchen“ zu pflegen und den Migranten – bildlich gesprochen mit Khalil Gibran – Flügel zu geben. Ohne den Respekt vor der individuellen, besonderen kulturellen Persönlichkeit des Migranten ist Integration nicht möglich.
Daher ist unsere letzte Forderung die Einführung der Möglichkeit zur doppelten Staatsbürgerschaft. Somit würde jedem Menschen das Recht gegeben, seine Ursprungskultur auch formal zu behalten und sich trotzdem zu seinem neuen Land zu bekennen, denn:
Integration gelingt durch zwei Seiten –
oder mit den Worten Tahar Ben Jellouns:
Intégrer est un partage!